Inspired, Wie echte Produktteams arbeiten

Produktentwicklung ist selten das, was sie vorgibt zu sein

Viele Unternehmen entwickeln digitale Produkte. Sie sprechen von Agilität, von MVPs, von User Stories und Backlogs. Aber wenn man genauer hinschaut, sieht man oft etwas anderes: Features, die aus internen Wunschlisten entstehen. Roadmaps, die aus Kompromissen bestehen. Teams, die zwar liefern – aber nicht lernen.

Warum gute digitale Produkte nicht aus Ideen entstehen, sondern aus Verantwortung

Marty Cagan kennt das. Als ehemaliger Produktverantwortlicher bei Firmen wie eBay, AOL, Netscape und HP hat er die Entwicklung von digitalen Produkten in unterschiedlichsten Kontexten erlebt. In Inspired beschreibt er, was gute Produktteams wirklich ausmacht – und warum so viele digitale Initiativen trotz bester Absichten scheitern.

„Die meisten Produkte scheitern nicht, weil wir nicht hart genug arbeiten oder keine guten Ideen haben, sondern weil wir die falschen Produkte bauen.“

Dieses Buch ist kein Methodenratgeber und keine Tool-Sammlung. Es ist eine Haltungsfrage. Und es stellt eine unbequeme, aber notwendige Diagnose: Wir bauen viel – aber oft das Falsche.

Produktentwicklung beginnt beim Problem, nicht bei der Lösung

Cagan legt grossen Wert auf ein radikales Umdenken: Produktentwicklung beginnt nicht mit Ideen, sondern mit einem tiefen Verständnis für das Problem. Gute Produktteams stellen nicht die Frage: „Was können wir umsetzen?“ – sondern: „Welches Problem versuchen wir zu lösen?“ Und: „Für wen?“

„Die wichtigste Eigenschaft eines erfolgreichen Produkts ist, dass es ein echtes Problem löst – und zwar auf eine Weise, die für den Nutzer wertvoll und für das Unternehmen wirtschaftlich tragfähig ist.“

Diese scheinbar einfache Aussage hat weitreichende Konsequenzen. Sie bedeutet: kein blindes Abarbeiten von Anforderungen. Kein Delegieren von Denken. Kein Produkt ohne klares Zielbild. Stattdessen: Discovery, Validierung, intensive Gespräche mit Kund:innen – bevor die erste Zeile Code geschrieben wird.

Empowerte Teams statt Lieferabteilungen

Ein zentrales Thema des Buchs ist die Rolle des Produktteams. Für Cagan sind die besten Teams keine Umsetzer, sondern Verantwortungseinheiten. Sie arbeiten crossfunktional, sind inhaltlich mit dem Ziel verbunden und treffen selbstständig Entscheidungen.

„Ein echtes Produktteam ist verantwortlich für das Ergebnis – nicht nur für das Abliefern.“

Damit das gelingt, braucht es nicht mehr Prozesse – sondern mehr Vertrauen. Und eine Führung, die sich nicht über Kontrolle, sondern über Kontext definiert. Cagan unterscheidet scharf zwischen „feature teams“, die Anforderungen abarbeiten, und „empowered product teams“, die echte Verantwortung tragen. Diese Unterscheidung ist nicht akademisch – sie ist entscheidend.

Produktverantwortung ist Klarheit schaffen

Ein besonders wertvoller Aspekt des Buchs ist der Blick auf die Rolle des Product Managers. Nicht als Entscheider, nicht als Ideengeber, sondern als Klarheitsverstärker. Als jemand, der dafür sorgt, dass Kundenbedürfnisse, unternehmerische Ziele und technische Realitäten zusammenfinden – nicht auf dem Papier, sondern im Produkt.

„Die Aufgabe des Product Managers ist es, das Risiko zu minimieren, dass wir etwas bauen, das niemand will.“

Das bedeutet: zuhören, beobachten, Hypothesen aufstellen, priorisieren, lernen. Und oft auch: Dinge weglassen, sich gegen Annahmen wehren, mutige Fragen stellen. Es ist eine Rolle, die Haltung verlangt – keine Show.

Warum ich das Buch empfehle

Weil es Klartext spricht – und weil es nicht bei der Kritik stehen bleibt. Inspired zeigt, wie Produktentwicklung anders gedacht werden kann: kundennäher, verantwortlicher, wirkungsvoller. Es macht Mut, anders zu arbeiten – aber nicht naiv. Sondern mit Substanz.

Dieses Buch ist kein Aufruf zur Innovation um der Innovation willen. Es ist ein Aufruf zur Verantwortung. Für die Probleme, die wir lösen. Für die Entscheidungen, die wir treffen. Für den Wert, den wir stiften – mit dem, was wir bauen.

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