Warum viele Softwareprojekte im KMU scheitern

Vor einiger Zeit sprach ich mit einem Unternehmer, der viel Geld in eine neue Software investiert hatte. Monate voller Meetings, endlose Abstimmungen, lange Wartezeiten. Als die Lösung endlich fertig war, nutzte sie kaum jemand. „Wir hätten gleich beim Alten bleiben können“, meinte er resigniert. Genau das passiert vielen KMUs. Sie starten Softwareprojekte in der Hoffnung auf Entlastung – und enden im Gegenteil: mit Frust, Kosten und einer Lösung, die nicht trägt.

Ein Muster, das sich wiederholt

Wer mit KMUs über Software spricht, hört immer wieder ähnliche Geschichten. Projekte, die Monate oder Jahre dauern. Budgets, die explodieren. Systeme, die am Ende mehr Arbeit machen, statt Prozesse zu vereinfachen. Die Folgen sind gravierend: verpasste Chancen, frustrierte Mitarbeitende, verlorenes Vertrauen in die Digitalisierung.

Doch warum ist das so? Warum scheitern so viele Softwareprojekte gerade im KMU-Umfeld?

Grund 1: Zu viel, zu früh, zu komplex

Viele Projekte scheitern schon am Anfang, weil sie zu gross gedacht werden. Statt mit einem klaren Kernproblem zu starten, wird ein riesiges Lastenheft erstellt. Alle Wünsche, alle Eventualitäten, alles sofort. Das führt zu Überforderung und lähmt den Prozess.

KMUs brauchen schnelle Ergebnisse, die im Alltag spürbar helfen. Ein Monsterprojekt, das erst nach 18 Monaten Ergebnisse liefert, ist für die meisten schlicht nicht praktikabel.

Grund 2: Fehlendes gemeinsames Verständnis

Ein weiteres Problem: Unternehmer und Entwickler sprechen oft verschiedene Sprachen. Der Unternehmer beschreibt, was er braucht, der Entwickler setzt um, ohne das zugrundeliegende Problem wirklich zu verstehen. Am Ende entsteht eine Lösung, die zwar den Worten, aber nicht der eigentlichen Intention entspricht.

Software wird über Aufgaben definiert, nicht über Verständnis. Das ist ein Kernfehler. Nur wenn beide Seiten das Problem wirklich durchdrungen haben, entsteht eine Lösung, die passt.

Grund 3: Langsame, schwerfällige Abläufe

Viele Projekte sind von Anfang an durch Bürokratie belastet. Endlose Meetings, unnötige Freigaben, lange Feedbackschleifen. Statt Klarheit zu schaffen, entstehen Wartezeiten.

Was KMUs brauchen, sind schlanke Abläufe: kurze Abstimmungen, schnelle Entscheidungen, klare Verantwortlichkeiten. Tempo entsteht nicht durch mehr Druck, sondern durch weniger Reibung.

Grund 4: Standardsoftware als Zwangsjacke

Aus Angst vor Kosten oder Komplexität greifen viele KMUs zu Standardlösungen. Doch diese zwingen das Unternehmen oft, sich an die Software anzupassen, statt umgekehrt. Die Kultur wird der Software untergeordnet.

Das führt zu Workarounds, ineffizienten Prozessen und Frust im Team. Eine Lösung, die nicht zur eigenen Arbeitsweise passt, bleibt Stückwerk. Software sollte die Kultur verstärken, nicht verbiegen.

Grund 5: Fehlende Priorisierung

Oft wird versucht, alles gleichzeitig umzusetzen. Neue Funktionen, Schnittstellen, Automatisierungen. Das Ergebnis: Nichts wird wirklich fertig, und der Nutzen bleibt aus.

Der Schlüssel liegt in der Frage: Was bringt sofort spürbaren Mehrwert? Wenn dieser Punkt nicht geklärt ist, verzettelt sich das Projekt.

Grund 6: Keine klare Verantwortung

In vielen Projekten fühlt sich niemand wirklich verantwortlich. Der Unternehmer denkt, der Dienstleister wird es schon richten. Der Entwickler wartet auf Input. Das Team ist unsicher, wer entscheidet. Ohne klare Verantwortung verliert jedes Projekt an Fahrt.

Die Folgen für KMUs

Das Ergebnis dieser Fehler ist fast immer dasselbe: Software, die nicht genutzt wird. Mitarbeitende, die sich mit Workarounds behelfen. Unternehmer, die das Vertrauen in Digitalisierung verlieren. Statt Produktivität steigt die Belastung. Doch es geht auch anders. Projekte können schnell, klar und wirksam umgesetzt werden – wenn man die Ursachen kennt und bewusst gegensteuert.

Was erfolgreiche Projekte anders machen

  1. Klein anfangen: Statt eines Riesenprojekts lieber mit einem klar definierten, kleinen Nutzen starten.
  2. Gemeinsames Verständnis schaffen: Unternehmer und Entwickler müssen das Problem wirklich durchdringen, nicht nur beschreiben.
  3. Klare Abläufe definieren: Schlanke Prozesse und kurze Feedbackschleifen sorgen für Tempo.
  4. Die richtige Software wählen: Individuell, wo nötig. Standard, wo sinnvoll. Immer passend zur Kultur.
  5. Verantwortung klären: Ein Projekt braucht Führung – und zwar auf beiden Seiten.

Viele Softwareprojekte im KMU scheitern nicht an der Technik, sondern an falschen Erwartungen, überladenen Prozessen und fehlender Klarheit. Software ist kein Selbstzweck. Sie soll Probleme lösen, nicht neue schaffen. Wer klein anfängt, Fokus hält und die Unternehmenskultur respektiert, kann mit Software enorm viel gewinnen. Entscheidend ist, wie man das Projekt aufsetzt – und mit wem man es umsetzt.