Vom Problem zur Lösung: Gutes Verstehen ist wichtiger als schnelles Handeln

„Fall in love with the problem, not the solution.“ Diesen Satz hört man oft, wenn es um Innovation geht. Die Realität in vielen Unternehmen sieht anders aus. Ein neues Problem taucht auf – eine Beschwerde, ein Performance-Abfall, eine offene Stelle. Und sofort beginnen die Meetings. Ideen kreisen. Massnahmen werden definiert. Projektpläne erstellt. Aber selten wird innegehalten und gefragt: „Was genau ist hier eigentlich los?“

Der Reflex: Lösen statt verstehen

Schnelles Handeln ist beliebt, weil es Aktivität erzeugt. Es fühlt sich produktiv an. Es macht das Problem verschwinden – zumindest oberflächlich. Doch was, wenn wir in Wirklichkeit nur Symptome behandeln?

Beispiel aus dem Alltag: Ein Unternehmen klagt über ineffiziente Prozesse. Die Lösung: neue Software. Doch die eigentliche Ursache liegt in unklaren Rollen, fehlender Abstimmung und einer Kultur des „Ich mach’s halt selbst“. Die Software bleibt ungenutzt. Das Problem bleibt bestehen – es hat nur ein neues Interface bekommen.

Dyson: Der, der mit dem Problem lebte

James Dyson entwickelte 5.127 Prototypen, bevor sein erster beutelloser Staubsauger funktionierte. Er hätte früher „lösen“ können – mit einem besseren Beutel, einem neuen Filter. Aber er blieb beim Kern: Das Problem ist der Luftstrom und der Energieverlust. Er ging nicht auf Abstand zum Problem – er ging tiefer hinein.

„I enjoy the problem-solving aspect far more than I enjoy the finished product.“ – James Dyson

Das ist mehr als Tüftelei. Es ist ein Plädoyer für echtes Verstehen. Für Präzision. Für Geduld.

Was wir übersehen, wenn wir zu schnell handeln

Wenn wir direkt in die Lösungsfindung gehen, ohne das Problem wirklich zu erfassen, passiert oft Folgendes:

  • Wir behandeln Symptome. Das echte Thema bleibt im Schatten.
  • Wir überfordern Teams. Wenn die Ursache unklar ist, wird jede Massnahme beliebig.
  • Wir schaffen Abhängigkeit. Immer neue Projekte statt echter Veränderung – weil das Denken vorher fehlt.

Führung beginnt mit Neugier

Gutes Problemverständnis beginnt mit der Haltung: Ich weiss es noch nicht. Aber ich will es verstehen. Das ist unbequem. Es bedeutet: nicht sofort liefern. Nicht sofort glänzen.
Aber genau das unterscheidet Aktionismus von echter Führung.

„If I had an hour to solve a problem, I’d spend 55 minutes thinking about the problem and 5 minutes thinking about solutions.“ – Albert Einstein

Drei Fragen, die helfen, tiefer zu schauen

  1. Was genau passiert – und was genau nicht? (Beobachtung statt Interpretation)
  2. Wer erlebt das Problem – und wer glaubt, es zu haben? (Perspektiven aufbrechen)
  3. Worüber reden wir nicht, wenn wir über die Lösung reden? (Tabus, Nebelkerzen, echte Ursachen)

Langsames Denken ist mutig

Problemverständnis braucht keine Tools. Es braucht Präsenz. Es ist keine Analyseleistung, sondern eine Führungsqualität. Wenn du willst, dass dein Team nachhaltiger arbeitet, klarer denkt, gezielter verändert – dann bleib öfter mal beim Problem. Und vertraue darauf, dass dort die bessere Lösung entsteht.